Kurt Königsberger


Biographie

 

Kurt Königsberger wurde am 1. September 1891 als Sohn des Kaufmanns und Fabrikbesitzers Karl Benno Königsberger (1858 – 1921) und seiner Frau Marie, geb. Ulmer (1867 – 1918), in Fürth geboren. Er stammte aus einer alteingesessenen Fürther Familie, besaß jedoch bis 1912 die schweizerische Staatsbürgerschaft mit Heimatrecht in Günsberg im Kanton Solothurn. 

Sein Vater war Inhaber einer Ledergroßhandlung in der Bahnhofstraße 3 in Fürth. Während sich die Geschäftsräume im Erdgeschoss befanden, wohnte die Familie eine Etage höher im 1. Stock.  Nach dem Besuch der Volksschule war Kurt Könisgerberger zunächst Schüler am Königlich Humanistischen Gymnasium in der Königstraße 105 in Fürth, wo er 1910 sein Abitur machte und ein Mitglied der Schülerverbindung Abituria wurde. Anschließend begann er ein Studium  der Nationalökonomie, das er nach acht Semestern an den Universitäen München, Heidelberg, Berlin und Erlangen mit der deutschen Mobilmachung im August 1914 unterbrechen musste.

KURT KÖNIGSBERGER ALS MITGLIED DES ABITURIA-JAHRGANGS 1910 (SITZEND, GANZ RECHTS)

Am 11. November 1914 wurde er als Ersatz-Reservist zum II. Rekruten-Depot des 6. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments eingezogen, das provisorisch in den ehemaligen Fabrikräumen der Fürther Eisengießerei J. W. Engelhardt & Co. untergebracht war. Dort absolvierte er zunächst die Grundausbildung und wurde im April 1915 zum Gefreiten und einen Monat später zum Unteroffizier befördert.  Vom 6. Juni bis zum 18. Juli nahm er außerdem an einem Offiziers-Ausbildungs-Kurs auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr teil, mit dessen Bestehen zum Vizefeldwebel und Offiziers-Aspiranten ernannt wurde. Am 13. August 1915 versetzte man ihn schließlich als Teil der 5. Kompanie seines Regiments an die französische Westfront, wo er als Zugführer zunächst an langwierigen Stellungskämpfen beteiligt war.

Am 5. Februar 1916 wurde er dann zum Leutnant der Reserve befördert und absolvierte von April bis Juni 1916 einen weiteren Offiziers-Ausbildungs-Kurs im französischen Hinterland. Zurück an der Front kämpfte er mit seiner Einheit dann in der Schlacht an der Somme. Für seine Verdienste während der Septemberschlacht in den rumänischen Karpathen wurde ihm am 29. August 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse sowie kurz darauf der Militär-Verdienst-Orden IV. Klasse mit Krone und Schwertern verliehen. Ende November wurde er dann zum Führer der 7. Kompanie ernannt. 

Außerdem wurde er von seinem Regiment als Kandidat für die Ausbildung zum Beobachtungsflieger vorgeschlagen, die bei der bayerischen Fliegertruppe dringend benötigt wurden. Nach einem mehrwöchigem Aufenthalt im 3. Feldlazarett der 10. bayerischen Infanterie-Division aufgrund einer Darmentzündung durfte er zunächst für zehn Tage einen Heimaturlaub in Fürth antreten, bevor am 15. Januar der Ausbildungskurs bei der 1. bayerischen Flieger-Ersatz-Abteilung in Schleißheim im Norden von München begann. Vom 20 Februar bis zum 26. März 1917 nahm er zusätzlich an einem Offizier-Fliegerfunker-Lehrgang im von Deutschland besetzen Warschau teil. Ab Mai 1917 wurde er dann auf seinen Wunsch hin zur bayerischen Flieger-Schule 3 in Fürth-Atzenhof versetzt, wo er seine Ausbildung zum Beobachtungsflieger anschließt.

Nach mehreren Einsätzen an der Westfront wurde er im Oktober 1917 schließlich zur bayerischen Flieger-Schule 1 in Schleißheim versetzt. Als Führer einer Lehrkompanie war er hier für die Ausbildung neuer Flugschüler zuständig. Mit Beginn des 5. Kriegsjahres und den sich häufenden Niederlagen wuchs auch in Schleißheim die Unzufriedenheit unter den Soldaten. Als am 6. November 1918 die Nachricht aus dem Bayerischen  Kriegsministerium eintraf, dass die Fliegerabteilung am 7. November mit Reizgasbomben über Flandern in das aussichtslose Kriegsgeschehen eingreifen sollte, begann in der Einheit eine Meuterei, an der auch mehrere Offiziere beteiligt sind – darunter Kurt Königsberger.

Am späten Abend des 7. Novembers verbreitete sich das Gerücht vom Sturz des bayerischen Königs Ludwig III., der fluchtartig die Stadt verlassen haben soll. Kurt Königsberger macht sich sofort mit einem Automobil von Schleißheim aus auf dem Weg in die Münchner Innenstadt, um die aktuelle Lage zu erkunden. Gegen 2 Uhr morgens hatte er es geschafft, sich zum Landtagsgebäude in der Prannerstraße durchzuschlagen, wo sich zu dieser Zeit bereits Kurt Eisner (1867 – 1919) aufhielt, um die Proklamation des Freistaates Bayern vorzubereiten. Mit hoch rotem Kopf stellte Kurt Königsberger sich ihm als Unterstützer der Revolution vor.

Ganz außer Atem bringt er gerade noch heraus: „Stehe mit 800 Mann, 20 MG und ein paar Haubitzen in Schließheim. Alles zu Ihrer Verfügung!“  Laut einer späteren Aussage des Schriftstellers Wilhelm Herzog (1884 – 1960), der ein enger Vertrauter Kurt Eisners war, soll dieser daraufhin sofort geantwortet haben: „Flink! Schaffen Sie alles her und postieren Sie Ihre Leute mit den Geschützen vor dem Landtag.“  

Kurz darauf ernannte er Kurt Königsberger zum provisorischen Kriegsminister des  neuen Freistaats Bayern und Oberkommandeur der bayerischen Streitkräfte. Zusammen mit dem Schriftsteller Erich Mühsam (1878 – 1934), der ebenfalls ein glühender Anhänger der Revolution war, versuchte Kurt Königsberger als erste Amtshandlung mit einer Gruppe von Rotgardisten aus dem Mathäserbräu strategisch wichtige Orte in der Stadt zu besetzen.  Darunter auch das Bayerische Kriegsministerium in der Ludwigstraße, das lediglich von 6 Polizeibeamten bewacht wurde. Major Maximilian Freiher Haller von Hallerstein, Adjutant des Bayerischen Kriegsminister, erinnert sich 1929 in einem Schreiben:

„Etwa zwischen 2 und 3 Uhr morgens erschien unter der Führung eines Juden, der sichtbar noch nie Militärdienste geleistet hatte und nur schnell in eine Uniform gesteckt worden war, eine Wache, die die Schutzleute heimschickte, da sie selbst die Sicherung übernehme.“

Ob es sich dabei um Erich Mühsam oder Kurt Königsberger handelte, ist nicht bekannt.  Die umfangreichen Tagebucheinträge Erich Mühsams aus dieser Zeit gingen später verloren. Mit der Rückkehr ins Landtagsgebäude verfasste Kurt Königsberger als Oberkommandeur der Armee im Auftrag Kurt Eisners daraufhin eine Proklamation an die sich in München aufhaltenden Soldaten, die sich in Räten organisieren und in die Kasernen zurückkehren sollten, anstatt plündernd durch die Straßen zu ziehen:

Ober-Kommando der bayerischen Rebublik.

München, den 8. November 1918

Durch den ersten Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates bin ich zum provisorischen Oberkommandierenden der bayerischen Armee ernannt worden.

Als meine Hauptaufgabe betrachte ich die Aufrechterhaltung der Ordnung, deren Störung nur zur Schädigung der Arbeiter und Soldaten und zur Stärkung der Gegenrevolution führen kann. Ich fordere die Soldaten auf, zurück in die Kasernen zu gehen, dort kompanieweise Soldatenräte zu wählen, die ihrerseits die Wahl der Bataillons-Soldatenräte vornehmen. Sämtliche Bataillons-Soldatenräte wählen dann den Soldatenrat Münchens, der sich mit den übrigen Garnisonen zwecks Einsätzung eines bayerischen Soldatenrates ins Benehmen setzt. Diese Wahlen können jetzt in aller Ruhe vorgenommen werden und geben Gewähr dafür, daß alle Mitglieder des Soldatenrates neuerdings das Vertrauen ihrer Kameraden ausgesprochen erhalten.

Ein eigenmächtiges Verlassen des Truppenteils schwächt nur die Macht der Soldaten, indem es ihre Kräfte zersplittert und die Organe der neuen Regierung zur Ohnmacht verdammt. Die neue Regierung wird alles tun, um den Soldaten die Rückkehr zu Frau und Kind, Haus und Hof so rasch wie möglich zu gewährleisten. Eine Demobilmachung auf eigene Faust ist so lange unbedingt zu verwerfen, als die Sicherheit der Landesgrenzen gegen plündernde Banden und die Macht des Soldatenrats im Inneren nicht vollständig gewährleistet sind. Der Soldatenrat wird alles tun, um die Vepflegung der Soldaten und der Zivilbevölkerung zu sichern. Er warnt jedoch alle Soldaten, denen die Sache der sozialen Republik heilig ist, sich zu unüberlegten Aussschreitungen und Plünderungen hinreißen zu lassen. Die Soldaten, welche sich eigenständig Lebensmittelvorräte aneignen, schädigen nur ihre Kameraden. Das reibungslose Weiterarbeiten der militärischen Verwaltungsmaschine ist gesichert.

Der Oberkommandierende:

gez.Königsberger.

Vorstehendes zur strengsten Nachachtung. Kurt Eisner.

Am Tag darauf bezog Kurt Königsberger dann das Büro des Bayerischen Kriegsministers General Philipp von Hellingrath (1862 – 1939). Dessen Privatgemächer grenzten über eine verschlossene Hintertür direkt an das repräsentative Amtszimmer an. Gemeinsam mit seiner Frau und seinem Adjutanten versuchte er nun an vermutlich brisante Privatpapiere zu gelangen, die er bei der überstürzten Flucht aus dem Ministerium in seiner Schreibtischschublade vergessen hatte. Als die kleine Gruppe auf der Suche nach den Unterlagen überraschend in das Amtszimmer hereinplatzte, sprang Erich Mühsam, der sich zu dieser Zeit ebenfalls hier aufhielt, erschrocken auf und richtete mit den Worten „Wo kommen Sie her? Wer ist die Dame? Was wollen Sie?“ sofort eines der zahlreich herumstehenden Gewehre auf die Eindringlinge. Major Haller von Hallerstein beantwortete in Ruhe alle Fragen und widmete sich daraufhin Kurt Königsberger, über den er später abschätzig schrieb: „Am Schreibtisch des Ministers saß ein Jude namens Königsberger.“ Kurt Königsberger wusste nicht, wie er sich verhalten sollten, verweigerte aber die Herausgabe der Dokumente. Außerdem überlegte er offen, ob sie den Kriegsminister und seinen Adjutanten nicht eigentlich festnehmen sollte, entschloss sich dann aber dagegen und ließ die beiden ziehen.

Als Kurt Königsberger am Nachmittag sein Amtszimmer verließ, schrieb Erich Mühsam, der für ihn die Stellung im Ministerium übernommen hatte, auf eine Visitenkarte des ehemaligen Kriegsministers:

Diese Karte entnahm ich am Sa. Abend, dem 9. November 1918, der Visitenkartenschachtel des letzten bayrischen königlichen Kriegsministers, während ich an seinem Amtsschreibtisch saß und in Vertretung des revolutionären Oberkommandanten der republikanischen Armee, des Kriegsminister Königsberger, die Aufsicht im Kriegsministerium führte. E.M.“

Am Vormittag des darauffolgenden Tages machte sich Kurt Königsberger dann zusammen mit dem abgesetzten bayerischen Ministerpräsidenten Otto von Dandl (1868 – 1942) in einem von 4 Rotgardisten bewachten Automobil von München aus auf den Weg nach Schloss Wildenwart, wohin der bayerische König Ludwig III. in der Revolutionsnacht mit den Resten seines Hofstaats geflohen war. Als sie ihr Ziel im Chiemgau erreichten, um mit dem Monarchen über seine Abdankung zu verhandeln, hatte dieser jedoch bereits die Landesgrenze zu Österreich überquert und in Schloss Anif nahe Salzburg Zuflucht gefunden.

Mit der Ernennung des sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Martin Segitz (1853 – 1927) zum Staatskommissar für Demobilmachung am 12. November 1918 meldete sich Kurt Königsberger bei ihm zur Mitarbeit. Beide stammten sie aus Fürth und kannten sich vermutlich schon aus der Zeit vor Beginn des Krieges. Am 13. November 1918 ließ Albert Roßhaupter (1878 – 1949), der von Kurt Eisner zum neuen Staatsminister für militärische Angelegenheiten ernannt worden war, dann offiziell bekanntgegeben, dass Kurt Königsberger seine Pflicht, die Ordnung in München wiederherzustellen, erfüllt habe und die ihm erteilten Vollmachten als Oberkommandeur der Armee auf das Bayerische Kriegsministerium übertrug. Er wurde daraufhin von Martin Segitz zum Referenten für Nationalökonomie in dessen neugebildetem Staatskommissariat für Demobilmachung ernannt. Das einflussreiche Amt gab ihm die Befugnis, „alle Anordnungen zur erlassen, die erforderlich sind, um Störungen des Arbeitsmarktes in Folge der wirtschaftlichen Demobilmachung vorzubeugen oder abzuhelfen“, wie er es 1920 in seinem Artikel Die wirtschaftliche Demobilmachung in Bayern während der Zeit im November 1918 bis Mai 1919 beschrieb. Als Teil des kleinen Bereits des Staatskommissariats für Demobilmachung nahm er an regelmäßigen Sitzungen mit Vertretern aus den bayerischen Ministerien für Äußeres, Inneres, Finanzen, Verkehr sowie militärischen Angelegenheiten teil. Neben der Rückführung der bayerischen Soldaten stand ab Januar 1919 vor allem die wirtschaftliche Demobilmachung im Vordergrund. Kurt Königsberger berichtete in den Sitzungen regelmäßig über die aktuelle, sehr schwierige Situation in Bayern und schilderte seine Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Städten.

KURT KÖNIGSBERGER WOHL UM 1925 (→PRIVATBESITZ FAMILIE HARE)

Mit dem Abschluss der bayerischen Demoblimachung setzte Kurt Königsberg dann sein Studium der Nationalökonomie vermutlich zunächst in München und anschließend in Berlin fort, wo er zum Dr. phil. promovierte. Bei dem Verlag des jüdischen Unternehmers Rudolf Mosse (1843 – 1920) bekam er eine Stelle als Direktions-Sekretär.

1923 heiratete Kurt Königsberger dann in Berlin Helena Dittmann (1896 – 1993), die aus einer protestantischen Arbeiterfamilie stammte. Ihr Vater Ferdinand Wilhelm Dittmann (1855 – 1932) war um die Jahrhundertwende zusammen mit seiner Frau Wilhelmine, geb. Bose (1854 – 1924), nach Berlin gekommen.

Das Ehepaar Königsberger bezog eine Wohnung in der Sächsischen Straße 40  in Berlin-Wilmersdorf. Am 16. Dezember 1924 wurde die gemeinsame Tochter Jolanda geboren, am 11. März 1936 ihre Schwester Helga.

Jolanda Königsberger
KURT KÖNIGSBERGERS TOCHTER JOLANDA 1944 (→PRIVATBESITZ FAMILIE HARE)

Mit der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurde Kurt Königsberger in einer der ersten Verhaftungswellen in Berlin festgenommen. Am 20. November 1936 wurde er dann erneut in Schutzhaft genommen und im Konzentrationslager Dachau interniert. Kurt Königsberger versuchte von dort aus immer wieder ins Ausland nach Kolumbien und später Kenia zu emigrieren, was ihm jedoch von der Gestapo vor allem wegen seiner politischen Vergangenheit und der jüdischen Religionszugehörigkeit regelmäßig verwehrt wurde. Seiner Tochter Jolanda gelang in einer der Kindertransporte die Flucht nach England.

Am 22. September 1938 deportierte man ihn dann ins Konzentrationslager Buchenwald, wo er als Zwangsarbeiter im Arbeitskommando Strumpfstopferei/Strickerei eingesetzt wurde. Oft wurden hier besonders geschwächte Häftlinge untergebracht, die zur Arbeit im Steinbruch nicht mehr fähig waren. Am 14. Juli 1941 kam er dann in einem der sogenannten Invalidentransporte mit kranken und arbeitsunfähigen Häftlingen in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, wo er vermutlich noch am selben Tag durch Gas ermordert wurde. Im Geburts-Register und Einwohnermeldebogen in Fürth wurde  lediglich vermerkt: „gest. 21.07.1941 Nr. 607 Weimar II“. Um die gleichzeitige Ermordung von zahlreichen Häftlingen zu verschleiern, wurden die Todesdaten zeitlich gestaffelt angegeben und vorort beurkundet.

 


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