Biographie

Kommerzienrat Gustav Löwensohn wurde am 5. Mai 1883 als Sohn des Fürther Druckereibesitzers THEODOR LÖWENSOHN (1853 – 1931) und seiner Frau Rosa, geb. Stockheim (1862 – 1934), in Fürth geboren. Hier wuchs er zusammen mit seiner Schwester Johanna (1886 – 1934) und seinem Bruder ROBERT in den priviligierten Verhältnissen jüdischen Großbürgertums auf. Die Familie bewohnte eine große, luxuriöse Villa in der HORNSCHUCHPROMENADE 3. Nach 3 Jahren Volksschule besuchte er zusammen mit BENNO BERNEIS das Humanistische Gymnasium in Fürth. Nach seinem dortigen Abschluss machte er anschließend zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann, bevor er, wie es der Schicht des jüdischen Bürgertums üblich war, längere Auslandsreisen unternahm, um so seine Sprachkenntnisse zu verbessern.
Nachdem er von 1903 bis 1904 seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 6. bayerischen Feldartillerie-Regiments in Fürth abgeleistet hatte, arbeitete mit Gustav Löwensohn nun auch die 3. Generation in der BILDERBÜCHERFABRIK lÖWENSOHN. Mit dem 1. Januar 1905 ernannte man ihm zum Prokuristen. Zwei Jahre darauf übergab ihm sein Vater Theodor Löwensohn einen Teil seines Anteils und Gustav Löwensohn wurde offiziell Mitinhaber der Bilderbücherfabrik Löwensohn.
Am 19. Juni 1907 heiratete er in Fürth Emmy Mannheimer (1885 – 1978), Tochter des bekannten Fürther Hausarztes Dr. David Mannheimer (1855 – 1920) und seiner Frau Marie (1861 – 1924). Das Paar bezog eine repräsentative Wohnung am Bahnhofsplatz 8 gegenüber des FÜRTHER HAUPTBAHNHOFS und bekam zwei Kinder: Lily (1908 – 1941), die 1936 zusammen mit der Tochter Laura Bendit (1931) ihrem Mann Kurt Martin Bendit (1898 – 1958) nach London folgte, wo sie 1941 Opfer deutscher Bombenangriffe wurde, und Dora (1911 – 1976), die später mit ihrem Mann Walter Kohn (1898 – 1975), den Kindern Annette (1934) und Herbert (1938), sowie ihrer Mutter Emmy Löwensohn in die Vereinigten Staaten nach Kansas City emigrierte. 1912 ließ er sich von dem Fürther Architekten Georg Böhner im exklusiven Villenviertel Dambach-Westvorstadt für sich und seine Familie eine ehemals repräsentative Villa in der Forsthausstraße 43 errichten.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Gustav Löwensohn 1914 als Ersatz-Reservist zur II. Ersatz-Abteilung des 6. bayerischen Feldartillerie-Regiments eingezogen. Anschließend versetzte man ihn in die Kommandantur des Offiziers- und Kriegs-Gefangenen-Lagers Ingolstadt, in dem unter anderem auch Charles de Gaulle (1890 – 1970) und Michail Tuchatschewski (1893 – 1937) interniert war. Dort war Gustav Löwensohn als Unteroffizier Dolmetscher des Lagerkommandanten Generalmajor Josef Peter. Während des Ersten Weltkriegs war Gustav Löwensohn außerdem Mitarbeiter der Städtischen Kriegsfürsorge und war als Kassierer der Fürther Kriegsvolksküchen vor allem für die Beschaffung von wichtigen Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln und Steckrüben für die hungernde Bevölkerung zuständig.
Nach Ende des Krieges kehrte Gustav Löwensohn nach Fürth zurück und löste als Geschäftsführer der Bilderbücherfabrik Löwensohn den bereits am 1. Juli 1916 verstorbenen Kommerzienrat ALBERT ROSENFELDER ab.
Gustav Löwensohn engagierte sich, wie auch sein Vater Geheimrat THEODOR LÖWENSOHN (1853 – 1931) und sein Onkel Kommerzienrat Bernhard Löwensohn (1849 – 1910), in vielen Bereichen für das Gemeinwohl der Stadt Fürth. Am 19. Dezember 1927 ernannte man ihn für seine zahlreichen Verdienste zum Kommerzienrat. Zur silbernen Hochzeit schrieb die Nordbayerische Zeitung am 18. Juni 1932 in ihrer Gratulation:
[…] „Der Name Löwensohn hat in Fürth seit langem guten Klang. Gleich den Vorfahren erwarb sich auch Kommerzienrat Löwensohn als werktätiger Förderer aller gemeinnützigen Veranstaltungen und Einrichtungen hervorragende Verdienste um die Vaterstadt. Der VOLKSBILDUNGSVEREIN FÜRTH schätzt in ihm seinen geistig regsamen zweiten Vorsitzenden, viele unserer sozialen Hilfswerke wissen von seiner Bereitwilligkeit, gern, wenn auch ohne viel öffentliches Aufhebens, sich mit offener Hand zur Verfügung zu stellen. Mögen sich die sicher sehr zahlreichen Glückwünsche zum frohen Familienfeste erfüllen!“ […] ¹
Gustav Löwensohn, der als sehr gebildeter, gütiger und belesener Mann galt, war in Fürth fester Bestandteil des öffentlichen Lebens. So organisierte und veranstaltete er, wohl auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender des VOLKSBILDUNGSVEREIN, die er nach dem Tod Kommerzienrat ALBERT ROSENFELDER übernommen hatte, oft kulturelle Vorträge und Veranstaltungen in Fürth. Anschließend lud er die Vortragenden, wie Jakob Wassermann (1873-1933) oder Graf Hermann von Keyserling (1880-1946), auch gerne zu Abenden in seine Villa in der Forsthausstraße ein.

Neben der Organisation hielt Gustav Löwensohn jedoch auch selbst eigene Vorträge. Er interessierte sich sehr für Philosophie und galt als ausgezeichneter Goethe-Kenner. So hielt er beispielsweise im März 1931 in der Fürther Freimaurerloge „Zur Wahrheit und Freundschaft“, deren Mitglied er ebenfalls war, über Johann Wolfgang von Goethes Faust einen Vortrag mit dem Titel Ein Gang durch Faust.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 wuchs auch der Druck auf Gustav Löwensohn und seine Familie. Als Ende 1935 den jüdischen Verlegern verboten werden sollte, weiterhin Bücher zu drucken und zu verkaufen, soll Gustav Löwensohn nach einer Aussage seiner Nichte Anne-Marie Vitkine (1920 – 2015) als 1. Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Bilderbücher-Verleger und -Fabrikanten e. V. daraufhin mit dem Zug nach Berlin gefahren sein, um dort bei dem zuständigen Reichsminister zu erwirken, dass die jüdischen Verlage weiterhin produzieren durften. Denn diese exportierten ihre Waren in alle Welt, was dem Staat dringend notwendige Devisen einbrachte, auf die man nicht verzichten konnte und wollte. Doch nach zwei Jahren Aufschub wurde auch die Ausübung dieses Berufszweigs für die jüdische Bevölkerung endgültig verboten. Mit dem 1. Dezember 1937 mussten die Familien Löwensohn und Rosenfelder alle ihre Anteile unter Druck an die Kunstanstalten May AG (KAMAG) in Dresden verkaufen. Die Villa in der Forsthausstraße 43 sowie das angrenzende große Gartengrundstück gingen an den Fürther Unternehmer Hermann Belz (1892 – 1958), der Mitinhaber der Textilgroßhandlung Krauß & Belz oHG. mit Sitz in der Königswarterstraße 56/58 war. Auch das angrenzende Wohnhaus Königswarterstraße 60 ging während der NS-Zeit in seinen Besitz über. Jüdische Eigentümerin war Blanka Lehmann, geb. Hirschhorn (1883 – 1953). Sie war die Witwe des 1935 auf einer Urlaubsreise in Paris verstorbenen Kaufmanns Pinkas Zwi Lehmann (1875 – 1936), der zusammen mit seinem Bruder David am Fürther Bahnhofplatz 1 eine Pinselgroßhandlung betrieben hatte. Blanka Lehmann schaffte es in die Vereinigten Staaten zu emigrieren, wo sie 1953 in New York verstarb.
Gustav Löwensohn wanderte mit seiner Familie am 31. Dezember 1937 in die Niederländische Hauptstadt Amsterdam aus. Vermutlich wegen einer drohenden Deportation in das Ghetto Theresienstadt flüchtete die Familie 1943 weiter nach Brüssel. Dort soll Gustav Löwensohn verhaftet worden sein, als mit der für Juden verbotenen Straßenbahn fuhr.
Gustav Löwensohn wurde nach seiner Verhaftung anschließend in der sogenannten Dossin-Kaserne in der belgischen Stadt Mechelen interniert, die der SS von 1942 bis 1944 als Sammel- und Durchgangslager für die Deportation der belgischen Juden und „Zigeuner“ in die deutschen Vernichtungslager diente. Von dort aus wurde auch er am 31. Juli 1943 mit dem Transport 21 unter der Nummer 1172 ins Vernichtungslager KZ Auschwitz II-Birkenau deportiert und dort vermutlich bereits kurz darauf von der SS ermordet. 1945 wurde er schließlich offiziell für tot erklärt.